Hengist und Horsa by Sven R. Kantelhardt
Autor:Sven R. Kantelhardt
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: ACABUS Verlag
veröffentlicht: 2015-02-25T16:00:00+00:00
Ypwinesfleet, Januar 442
Ordulf
Das neue Jahr begann, wie das alte geendet hatte. Sturm und Regen wurden nur für kurze Zeit von wallenden Nebeln unterbrochen. Allein Schnee und Eis blieben ihnen erspart.
Eines Morgens ließ Hengist Ordulf zu sich rufen.
„Du sprichst nun Britannisch?“, begrüßte er ihn.
Ordulf war überrascht, er hatte nach seiner Rückkehr aus Londinium bereits Bericht erstattet. Allein die Vorkommnisse um Dìorhail und den Sohn des Magistrates hatte er wohlweislich verschwiegen. Soweit er wusste, hatten auch Tallanus und sogar Halvor dichtgehalten.
„Ja, Herr“, antwortete er daher schlicht.
„Dann habe ich eine Aufgabe für dich. Du wirst mich und Horsa zu Vortigern begleiten. Wir müssen besprechen, was er uns in diesem Jahr aufträgt. Halte dich bereit, morgen in aller Frühe reiten wir.“
Am Folgetag saßen sie um die gleiche Uhrzeit bereits im Sattel. In Begleitung von fünf ausgesuchten Kriegern trabten sie auf der alten Römerstraße in Richtung Durovernum.
Wie seine Landsmänner steckte Ordulf in der besten Wollkleidung, aber in der schneidend kalten Morgenluft musste er sich doch beherrschen, nicht mit den Zähnen zu klappern. Das von Gerolf inzwischen reparierte Kettenhemd Prinz Kolomans glänzte im fahlen Licht. Er hatte es am Vorabend mit Thiadmars Hilfe und einigen Händen voll Sand sorgfältig gescheuert. Inzwischen besaß er auch einen passenden Helm mit prächtigen Bronzebeschlägen, die kämpfende Krieger zeigten, und einem breiten Kamm, der von dem eisernen Nasenschutz bis in den Nacken zog. Auch Hengist trug einen neuen Spangenhelm mit einer Gesichtsmaske, die allerdings kaum grimmiger dreinschauen konnte als der Held es gewöhnlich selber tat. Doch das Aufsehenerregendste waren die Fahnen. Hengist und Horsa hatten sich nach dem Vorbild des britannischen Heeres im Winter eigene Fahnen sticken lassen. Hengists Banner leuchtete in blutigem Rot und zeigte einen springenden weißen Hengst. Horsa hatte dasselbe Motiv gewählt, allerdings war sein Pferd ein Rappe auf weißem Grund. So wunderte es Ordulf nicht, dass sie bereits am Tor für großes Aufsehen sorgten.
„Ihr habt Glück, der Hochkönig weilt derzeit tatsächlich hier in Durovernum. Wir werden ihn sofort benachrichtigen“, versicherte der Wachführer.
„Die sollen uns verdammt noch einmal durchlassen“, knurrte Hengist ungeduldig, doch schließlich fand auch er sich ins Warten.
Nach etwa einer halben Stunde erschien dann Ceretic, vom raschen Lauf noch ganz außer Atem. „Hengist, Horsa! Welch eine Überraschung!“, rief er ehrlich erfreut. „Und Ordulf!“ Er schlug dem Freund herzlich auf die Schulter. „Bitte kommt herein. Vortigern hat nicht mit eurem Besuch gerechnet, daher entschuldigt bitte, dass man euch nicht gleich vor ihn geführt hat. Er freut sich aber, seine treuen Vasallen hier bei sich begrüßen zu können. Ich hoffe, es mangelt euch in Ruohim an nichts?“
Hengist verneinte dies und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Bald kamen sie vor den Palast von Durovernum und Ceretic führte die Sachsen ohne Umschweife hinein. Wieder betraten sie den großen Saal, in dem Ordulf dem König zum ersten Mal gegenübergestanden hatte. Diesmal waren die Fensteröffnungen verschlossen und in mehreren bronzenen Becken brannten Kohlefeuer und an den Wänden Fackeln. Obwohl das dem prächtigen Saal einen düsteren und muffigen Anschein verlieh, kam es Ordulf so vor, als ob die bunten Steine des Mosaikfußbodens im Licht der Fackeln fast noch mehr funkelten als damals.
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